Gedenken an Carl Lampert in Mariahilf

Todestag des ranghöchsten von den Nationalsozialisten ermordeten österreichischen Geistlichen jährt sich zum 80. Mal

Unsere Pfarre feiert seit 2013 auf Anregung des damaligen Bischofs Manfred Scheuer jedes Jahr im November einen Gottesdienst zur Erinnerung an den Märtyrer Carl Lampert, der 1944 in Halle (Saale) hingerichtet wurde. Von Oktober 1935 bis Juni 1939 hatte er in Mariahilf gewohnt. Heuer findet am Todestag, am Mittwoch, 13. November, um 19:30 Uhr eine Gedenkveranstaltung in der Kirche statt. Die Historikerin Dr. Gisela Hormayr spricht zum Thema: „Volksverräter – Zur Situation der katholischen Kirche Tirols in der NS-Zeit“. Am Sonntag, 17. November, feiert der Rektor der Anima in Rom Dr. Michael Max mit unserer Pfarrgemeinde den Gedächtnisgottesdienst. Im Anschluss wird der Platz vor der Kirche offiziell als „Dr.-Carl- Lampert-Platz“ eingeweiht. Einladungen mit dem genauen Programm werden zeitgerecht am Schriftenstand aufliegen.

Was geht mich Carl Lampert an?

Eine Frage zur Gedenkwoche an den vor 80 Jahren Ermordeten – und eine sehr aktuelle Antwort darauf

Etwas provozierend vielleicht diese Überschrift. Haben die Nationalsozialisten nach Schätzungen der Historiker doch insgesamt 17 Millionen Zivilisten ermordet. Darunter waren Tausende hingerichtete politische Gegner. Warum also ausgerechnet Carl Lampert? Warum habe ich sofort zugesagt, mich mit anderen in der Pfarre für die Erinnerung an den Priester zu engagieren, von dem ich bis letztes Jahr nichts wusste?

Weil auch eine noch so gigantische Opferzahl den Schrecken dieses mörderischen Regimes nicht annähernd beschreiben kann. Und weil wir, was den Nationalsozialismus angeht, an einem Übergang stehen, der uns herausfordert. Die Zeitzeugen sind inzwischen fast alle gestorben. Wer sie noch befragen konnte und das auch getan hat, wer die Erlebnisse der Lagerinsassen, der Verfolgten, der Vertriebenen, der Ausgebombten, der Opfer, auch die der Täter und Mitläufer geschildert bekam, kann sich glücklich schätzen. Auch wenn jede Erinnerung nur ein Bruchstück ist und stets von den persönlichen Erfahrungen, Umständen, Prägungen, auch Rechtfertigungen und Schönfärbungen beeinflusst, lieferten die Zeitzeugen ein ganz unmittelbares Bild dieser Menschheitskatastrophe, die auch für den bestinformierten Nachgeborenen im Grunde unfassbar bleibt.

Von den Überlebenden konnte man Ungeheuerliches lernen, nicht zuletzt über die Natur des Menschen, seine Anfälligkeit für Demagogen und daraus folgend die Verwundbarkeit von Rechtsstaat und Demokratie. Für meine Generation und die meiner Eltern und Lehrer war die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus noch persönlichkeitsprägend. Das Schicksal der Zeitzeugen verpflichtete uns, die Erinnerung wach zu halten und die Sinne scharf, um sicherzustellen, dass so etwas niemals wieder geschehen dürfe. Ich frage mich, wie die Generation meiner Nichten (14 und 12 Jahre alt) diese Verantwortung künftig begreifen wird und sehe die Gefahr, dass der Nationalsozialismus die jungen Menschen immer weniger persönlich berührt, herausfordert und verpflichtet, sondern Stück für Stück in den Geschichtsbüchern zu verschwinden droht. Das wird Folgen haben für unsere Gesellschaft, gerade in einer Zeit, in der wir eine lebendige Erinnerung an den Absturz einer Kulturnation in Ideologie, Tyrannei, Rassenwahn, Genozid und Weltkrieg vor hundert Jahren dringend bräuchten. Die NSDAP und ihre Unterstützer fingen genauso an, Feuer zu legen, wie es heute Populisten rechter Parteien in den westlichen Demokratien treiben.

Daher brauchen wir die, wenn schon nicht mehr persönliche, so doch auf andere Art lebendig gehaltene Erinnerung an die vielen Opfer des Nationalsozialismus. Dafür sind kreative Ideen und junge Kommunikationsformen nötig. Die Arolsen Archives zum Beispiel, mit rund 30 Millionen Dokumenten eine der weltweit größten Sammlungen von Unterlagen über die Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft, haben dafür sehr interessante Ansätze gefunden. Und auch das Carl-Lampert-Forum in Feldkirch geht innovative Wege der Erinnerung an den vor 80 Jahren im Zuchthaus „Roter Ochse“ in Halle an der Saale durch das Fallbeil hingerichteten und 2011 seliggesprochenen Priester. Wir brauchen sein Zeugnis, seinen Mut und seine Standhaftigkeit, damit aus dem „niemals wieder“ nicht ein „schon wieder?“ wird.

Gerd Henghuber

Wer Carl Lampert war

Geboren wurde Carl Lampert am 9. Jänner 1894 in Göfis (Vorarlberg) als jüngstes von sieben Kindern. Nach der Matura trat er ins Priesterseminar in Brixen ein, wo er 1918 geweiht wurde. Als Kaplan war er zunächst in Dornbirn in der Jugendarbeit tätig. 1939 berief ihn Bischof Paulus Rusch zum Provikar des Tiroler Teils der damaligen Apostolischen Administratur Innsbruck-Feldkirch, der Vorgängerin der heutigen Diözese Innsbruck. In dieser Funktion widersetzte er sich öffentlich der rigorosen Politik des Gauleiters Franz Hofer gegen die Kirchen. Zwischen 1938 und 1940 ließ Hofer zahlreiche kirchliche Einrichtungen und Klöster schließen, in Innsbruck das Canisianum, die Theologische Fakultät, das Stift Wilten und das Kloster der Ewigen Anbetung.

1939 versuchte Lampert erfolglos, den Pfarrer von Götzens Otto Neururer aus dem KZ Dachau freizubekommen. Neururer wurde dann in Buchenwald ermordet, und Lampert veröffentlichte eine Todesanzeige, in der der Todesort angegeben war. Wegen Verstoßes gegen Geheimhaltungsvorschriften wurde der Provikar am 5. Juli 1940 verhaftet und am 25. August nach Dachau deportiert. Am 1. September kam er ins KZ Sachsenhausen bei Berlin. Hier musste er in der Strafkompanie harte körperliche Arbeit verrichten. Am 15. Dezember überstellte man ihn für weitere acht Monate zurück nach Dachau.

Am 1. August 1941 kam Lampert frei. Weil er den Gau Tirol-Vorarlberg nicht betreten durfte, kam er nach Stettin, wo er als Seelsorger unter anderem in einem Lazarett wirkte. Die Gestapo setzte einen Spitzel auf ihn an, der sich als angeblich religiöser Mensch auf der Suche nach Spiritualität Lamperts Vertrauen erschleichen sollte. Weil ihm Lampert nicht auf den Leim ging, schrieb der Spitzel in seinem Bericht, der Priester und andere hätten Feindsender abgehört und durch Aussagen die Wehrkraft zersetzt. Am 4. Februar 1943 verhaftete die Gestapo neben Lampert rund 40 Geistliche und Ordensschwestern.

Lampert wurde intensiv verhört und auch gefoltert, blieb den Protokollen zufolge aber standhaft. Im Dezember begann vor dem Reichskriegsgericht in Halle (Saale) der Prozess gegen ihn und zwei weitere Priester, am 20. Dezember wurde er für schuldig befunden, das Todesurteil allerdings zunächst nicht unterzeichnet. Am 14. Januar 1944 kam das Verfahren ans Reichskriegsgericht in Torgau und Lampert dort für sieben Monate in Isolationshaft. Das Urteil aus Halle wurde schließlich am 27. Juli bestätigt, wobei sich der Richter Werner Lueben ebenfalls als standhaft erwies, indem er, statt das Todesurteil zu unterzeichnen, Suizid beging und die Aussage hinterließ: „Es handelt sich in diesem Fall weder um ‚Verbrecher‘ noch um ‚asoziale Elemente‘. Ihre einzige Tragik ist es, dass sie katholische Priester sind!“ Mit neuen Richtern kam es zu einem dritten Prozess gegen Lampert. Am 8. September wurde er nun endgültig zum Tod verurteilt, am 13. November zusammen mit den anderen Verurteilten zurück nach Halle ins Zuchthaus Roter Ochse gebracht, wo er am selben Tag noch durch das Fallbeil hingerichtet wurde. 2011 erkannte Papst Benedikt XVI. das Martyrium Lamperts an und sprach ihn selig.

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